Der spanische Telekom-Konzern Telefonica hat heute o2 an die Börse gebracht, und zwar recht erfolgreich. Nachdem die Einnahmen von Mobilfunkanbietern durch immer mehr alternative Dienste gefährdet sind, suchen diese wohl neue Einnahmequellen. Telefonica zeigt, wie das zukünftig (und weitreichender als bisher) funktionieren kann – und zwar mit dem Verkauf von Bewegungsprofilen ihrer Kunden inklusive der Bestandsdaten, zu Werbezwecken.
Telefonica hat bereits Anfang Oktober eine neue Abteilung in London eröffnet, die Telefonica Dynamic Insights, eine „global big data business unit“:
Telefónica Dynamic Insights will provide companies and public sector organisations around the world with analytical insights that enable them to become more effective. It will develop a range of products and services using different data sets, including machine-to-machine data, and anonymised and aggregated mobile network data.
Das erste Produkt heißt „Smart Steps“: Die Bewegungs- und Bestandsdaten von Kunden sollen dahingehend analysiert und aufbereitet werden, dass sie für Geschäftsführer und Unternehmen besonders interessant sind. So soll zum Beispiel der oder die InhaberIn eines Geschäftes erfahren können, wie lange jemand, welchen Geschlechtes und Alters vor dem Schaufenster stand und aus welcher Richtung er oder sie kam. Das ganze wird unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Konsumforschung GfK, soll aber zunächst in Großbritannien umgesetzt werden. „Wann und in welcher Form ein solches Produkt in Deutschland eingeführt wird, steht noch nicht fest“, teile die Telefonica-Zentrale in München der Tagesschau mit. Einen Prototyp gebe es allerdings, und auch Gespräche mit deutschen Unternehmen.
Wie auch netzpolitik.org bereits berichtete, werden die gespeicherten Geodaten von Mobilfunkanbietern zum Beispiel zur Kaufkraft-Bestimmung herangezogen. Laut ARD handelt es sich bei Telefonica nun um den ersten Fall, in dem Bestandsdaten (Alter, Geschlecht) mit Bewegungsdaten kombiniert werden. Die Daten sollen laut Telefonica vollständig anonym und aggregiert ausgewertet werden – und der Kunde muss einer solchen Verwendung seiner Daten zugestimmt haben. Wird ein Vertrag bei o2 abgeschlossen, ist die Zustimmung zu einer Nutzung der Bestandsdaten zu „Werbezwecken für Produkte von o2 und Marktforschung“ standardmäßig gesetzt. Der Kunde muss also bei Vertragsabschluss aktiv widersprechen, um diese Nutzung zu verhindern oder im Nachhinein per Brief oder Email. Wer bereits Kunde bei o2 ist, kann im Account online unter Persönliche Daten > Nutzung Ihrer Daten den Status der Einwilligungen einsehen und verändern:
Der „Strategy Analyst“ Jeremy Green begrüßt die Pläne von Telefonica und betont, dass Anbieter sowieso schon Kundendaten als Einnahmequelle entdeckt haben. Bisher sei das aber eher unsystematisch und fragmentarisch geschehen, daher seien die weitreichenden Pläne von Telefonica sehr clever.
Tatsächlich ist diese Herangehensweise nicht besonders außergewöhnlich. Vodafone liefert beispielsweise Bewegungsdaten seiner Kunden an TomTom, einen Hersteller von Navigationsgeräten. Anhand „anonymer Daten aus aus dem deutschen Vodafone-Netz“ wird so die aktuelle Verkehrslage ermittelt und kann zum Beispiel per TomTom App wieder abgefragt werden – ob diese ausführliche Datensammlung nur zu diesem Zweck verwendet wird, ist fraglich.
Thilo Weichert, Datenschutzbeauftrager des Landes Schleswig-Holstein, äußert Kritik und Unbehagen:
Standortdaten sind hochsensibel, weil eben über sie eindeutig erkennbar ist, wo sich jemand aufhält. Insofern sehe ich es mit großen Bauchschmerzen, dass jetzt offensichtlich Telekommunikationsunternehmen beginnen, diese Daten in die Welt zu streuen.
Viele Fragen müssen jedoch erst einmal geklärt werden – es nicht nicht klar, wann o2 diese Pläne für Deutschland umsetzen will und auch nicht, in welcher Form. Zu welchem Grad will und muss Telefonica die Kundendaten anonymisieren? Gilt diese Strategie, wenn sie umgesetzt wird, als außerordentlicher Kündigungsgrund? Inwiefern werden die Kunden über diese mögliche Änderung informiert und bleibt es bei der Opt-Out-Methode bei der Einwilligung in die Nutzung der eigenen Daten?
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> Update
Sorry, hier hat die Tagesschau zum Teil Blödsinn erzählt. Telefocica weiß nicht, vor welchem Schaufenster die Kunden stehen. Die Datenqualität der Ortung über das Mobilfunknetz reicht dazu einfach nicht aus.
Wozu sie ausreicht, steht im oben verlinkten Blog: Man kann gucken, wie viele volljährige Kunden am Tag durch eine Geschäftsstraße gehen oder fahren und wo man daher mit viel Laufkundschaft rechnen kann. Von personalisierter Werbung ist im Angebot nirgends die Rede — oder woher kommt das?
Wer garantiert, dass nicht die GPS Daten abgegriffen und dafür benutzt werden?
GPS Daten abfragen ist vergleichsweise aufwendig. Man versucht deshalb zunächst Daten die vorhanden sind, zu verkaufen. Wenn die Nachfrage nach genaueren Daten mit entsprechendem Angebot unterfüttert wird, könnte es schon sein
Viel wichtiger: GPS geht ganz schön auf den Akku. Und wenn der Kunde es sowieso einschaltet, muss Telefonica das Handy erst Mal zum Weitermelden dieser Daten umprogrammieren…
Damit wirbt Telefonica auch selbst:
http://dynamicinsights.telefonica.com/content/themes/O2-Theme/videos/Telefonica_Edit_v16.webm
Andrea: Womit wirbt Telefonica? Mit Schaufenstern und GPS-Genauigkeit? Nein. Straßenzüge, Einkaufscenter, ja.
Du hast Recht, ich hatte das falsch im Kopf. Tatsächlich wird es nur bei der Tagesschau so geschrieben – was technisch in dieser Hinsicht möglich ist, weiß ich leider nicht genau.
Danke übrigens für den Hinweis auf die Bestandsdaten-Einstellungen in O2.
Aus meiner Sicht geht die Frage viel tiefer als Einverständnisse und Weitergaben: Ich halte es für eine Frechheit, dass die Standort- und Bewegungsdaten zugeordnet zu meinem Profil überhaupt gespeichert werden.
Dann nimm einfach einen Anbieter, der das nicht macht.
Das ist ja eben gerade nicht möglich, weil m.E. zumindest in der Schweiz und in Deutschland (Länder mit ziemlich soliden Datenschutzregelungen und einer zumindest heute noch relativ gebändigter Regierung) die Daten für 6 Monate gespeichert werden müssen.
Tja wenn wir Gesetze haben welche so etwas Erlauben , werden die Firmen alles Verkaufen um Profit zu machen auch personalisierte Daten zb. zuerst nach Alter oder Geschlecht und dann häppchenweise Weiter…..oder wer sich denn noch freiwillig Ausforschen lässt bekommt Rabatt …
Moralische Grenzen kennt das neoliberale System nicht, dafür müsste endlich einmal der Gesetzgeber Aktiv werden oder Gerichte welche zuerst das Volk und nicht die Wirtschaft schützen sollten.
Lustig ist immer die Aufregung in der Tagesschau oder einiger Politiker wenn wieder einmal einige Grenzen des Datenschutzes und der Überwachung grundlegend verschoben werden wie zb bei „Street Wiev“ oder dem „Google-Browser“ um dann doch nur wieder vor der Daten-Industrie Einzuknicken….
Ich muss ehrlichgesagt sagen, dass mich das Sammeln von anonymen Daten vieler Menschen garnicht so sehr erschreckt. Ich glaube auch ńichtdass sich das Sammeln wirklich unterbinden lässt. Das wichtigste wäre mir deswegen, dass die Anonymität gesetzlich geregelt wird, das also auch das Raster nicht zu eng sein darf, damit man niemanden identifizieren kann bzw wirklich keine Verknüpfung zu Nahmen/Adressen gemacht werden. Ist natürlich noch die Frage, ob sich das überhaupt kontrollieren lässt.
Das Sammeln und Verkaufen muss Verboten und mit empfindlichen Strafen belegt werden , besser dem Bürger das Recht geben solche Firmen selbst Abzumahnen , denn die geforderte Anonymität kann es nicht geben, zum Erreichbar sein gehört nun einmal eine Individuelle Kennung also IP Adresse oder Tel Nr. ohne die es nicht geht.
Bewegungsprofile könnte man zb. unter das Urheberrecht stellen für 70 Jahre , da hätte dieses einen guten Zweck ;-)
Die Zukunft kann halt nicht aufhalten … das aber GPS Daten auf diese Art
verwendet wird finde ich schade …
grüße von Mannheim
Die Urheberrechtsindustrie hält sogar mit massiver Unterstützung vom Gesetzgeber die Zukunft auf.
Angeblich kann man sie nur dort nicht Aufhalten wo sie zum Wohle des Profit von Datenhändlern ist, wenn es um die Rechte der Bürger geht nicht.
Wir leben in einer Welt wo immer mehr Verboten wird, vom Rauchverbot bis zum Sommerlichen Grillverbot , aber den ausufernden Datenhandel kann (will) man nicht Stoppen?
Das ist kein Fortschritt sondern Nötigung. Aber mal zur Technik: GPS Epfänger sind mittlerweile so genau das man selbst das Bewegungsprofil IM Geschäft oder Kaufhaus verfolgen kann. Genau da liegt das Problem, die Kombination aus verschiedenen Technologien bedroht den Datenschutz. RFID, Bluetooth, WLAN…..
O2 hat übrigens schon 2007 versucht, von seinen Kunden eine Einwilligung zur Nutzung u.a. von Standort-Daten (damals sicherlich nur über die Funkzelle) für allerlei gewerbliche Zwecke zu bekommen – mit sehr fragwürdigen Methoden: Infos
(Link verschluckt)
O2 hat übrigens schon 2007 versucht, von seinen Kunden eine Einwilligung zur Nutzung u.a. von Standort-Daten (damals sicherlich nur über die Funkzelle) für allerlei gewerbliche Zwecke zu bekommen – mit sehr fragwürdigen Methoden: https://plus.google.com/u/0/100595695412213749409/posts/c7j1LD5uHhc
und wie wollen die auf die gps Daten zugreifen? Ich muesste doch dann erst eine o2 App installieren
Mit der datenschutzrechtlichen Bewertung dieser Sache habe ich mich in dem heutigen Beitrag „Big Data & Recht – Herausforderungen für den Datenschutz und die Causa O2“ mal etwas näher beschäftigt.
siehe http://www.rechtzweinull.de/archives/554-Big-Data-Recht-Herausforderungen-fuer-den-Datenschutz-und-die-Causa-O2.html
Kann einer sagen wie weitreichend die Pläne sind? Geht es dabei wirklich nur um O2 oder alle die das Netz von Telefonica nutzen, das wäre dann auch Zahlreiche Provider wie Fonic, LIDL Talk, und andere?
Philip Engstrand
Posted 30. Oktober 2012 at 17:47
Dann nimm einfach einen Anbieter, der das nicht macht.
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um die nummer mal aufzugreifen:
ist jemandem bekannt, ob solcherlei geplantes bzw. praktiziertes geschäftsgebaren bestand hätte, um einen laufenden vertrag auszuhebeln?
Soeben wurde gemeldet http://ow.ly/eWoUo, dass Telefonica das Projekt aufgrund der negativen Rückkopplung in Deutschland ?vorerst? nicht umsetzt. Anders ausgedrückt, es wird weiter vorangetrieben und die Produkte werden entwickelt. Ob, wann und wie sie dann nach D kommen bleibt abzuwarten.
Noch ein paar Gedanken zur Anonymisierung der Daten:
Selbst anonymisierte Daten bleiben nicht unbedingt anonym. Durch die
Kombination unterschiedlicher Kundendatenbanken entstehen erschreckend leicht wieder personalisierte Profile.
Ich fühle mich auch beim Gedanken an die Vorratsdatenspeicherung unwohl.Über deren Sinnhaftigkeit kann man trefflich streiten. Aber der Gedanke, dass Unternehmen mit meinen Daten schalten und walten, wie sie wollen, ruft in mir nur ein lautes NEIN hervor. Das will zumindest ich nicht. Und Gottseidank haben wir ein Datenschutzrecht, dass MEINE Hoheit über MEINE Daten festschreibt und ich ein Widerspruchsrecht habe.
Zu den Themen Anonymisierung und Allianz mit der Gesellschaft für Konsumforschung habe ich hier einen Artikel geschrieben, der sich mit den Strukuren im Adresshandel auseinandersetzt.
http://safeaddress.wordpress.com/2012/11/01/gfk-telefonica-o2-und-die-schnittstellen-zum-datenhandel/
So wie ich das verstanden habe, werden in erster Linie Funkzellendaten genutzt, keine GPS-Daten. Die Funkzellendaten sind zwecks Vorratsdatenspeicherung schon vorhanden und zumindest in städtischen Gebieten doch recht genau, evtl können sie sogar noch aufbereitet werden (mit Triangulation etc.).
Betr. Anonymisierung: Hier hat die Wissenschaft vereinzelt bewiesen, dass unter gegebenen Umständen eine Reidentifizierung möglich ist. Leider sind viele Beispiele schon ein paar Jahre alt, aber das heisst wohl nur, dass es heute noch bessere Methoden zur Reidentifikation gibt. Habe am Wochenende ein Artikel zur Auswertung von Standortdaten verfasst (falls es jemanden interessiert): Wenn das Handy endgültig zur Wanze wird (Teil 1)